Welche Herausforderungen stellen sich Ihnen und Ihrer Hauptkirche St. Petri jetzt?

Wir verstehen uns in der Hauptkirche St. Petri als Kirche in und für die Menschen in unserer Stadt. Die Corona-Krise hat uns daher im innersten Nerv getroffen. Kirche lebt von persönlicher Nähe und Gemeinschaft, von Begegnung, Austausch und Kommunikation. Natürlich haben wir telefonisch und digital intensiv die Kontakte und Beziehungen zu unseren Gemeindemitgliedern in dieser Zeit gepflegt und dabei auch manch neue Form entwickelt. Aber auf Dauer wird das nicht funktionieren und ich frage mich: Werden die Menschen wieder zurückkommen oder haben wir mit den leeren Kirchen eine 'Entkirchlichung auf Probe' erlebt? Könnte der Ausnahmezustand unser neuer Normalzustand werden?
Gegenwärtig sind wir dabei, auszuprobieren, welche Möglichkeiten es unter den etwas gelockerten Auflagen gibt, in unserer Kirche miteinander Gottesdienste zu feiern. Dabei zeigt sich, dass ein Schutzkonzept allein nicht ausreicht. Die Einschränkungen sind so gravierend, dass die Frage im Raum steht, ob man so überhaupt Gottesdienst feiern kann. Oder anders ausgedrückt: Wir müssen Formen des Gottesdienst-Feierns finden, die zu den gegenwärtigen Rahmenbedingungen passen.

Wird sich die innere Stadt durch die Krise verändern?

Ich vermute schon. Begegnungen, Miteinander und Gemeinschaft zu erleben, dürfte noch schwieriger werden. Die Vereinzelung und Individualisierung war ja schon vor der Krise sehr ausgeprägt. Nun könnte es passieren, dass Abstandsgebot und Mundschutz nicht nur äußerlich notwendige Mittel bleiben, um sich vor einer Ansteckung zu schützen, sondern Teil der Mentalität vieler Menschen werden könnten, die Menschen so bestimmen, dass sie noch mehr als früher auf Abstand gehen.
Es braucht neues Vertrauen zueinander und neue Möglichkeiten, gute Erfahrungen mit anderen Menschen im öffentlichen Raum zu machen. Hier sehe ich eine wichtige Aufgabe der Kirchen. Wir sollten mit neuen Ideen und viel Kreativität unsere Kirchplätze noch intensiver mit Leben füllen. Wir sollten es in diesem Sommer den Menschen besonders 'schön' machen, so dass sie sich gern in der inneren Stadt aufhalten und neue Formen der Begegnung entdecken können.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft „nach“ der Krise?

Ich würde mich freuen, wenn die vielfältig erlebbare Solidarität in der Corona-Krise zu einem Wert wird, der uns in unserem Verhalten auch weiterhin prägt. Ich halte es für wichtig, dass wir schnell in einen öffentlichen Diskurs darüber kommen, wie wir das gesellschaftliche Leben unter den Bedingungen der Corona-Pandemie gestalten wollen. Dieses Thema wird gegenwärtig kaum bearbeitet. Und mit Blick auf meine Kirche: Wenn wir Weihnachten wieder einen ebenso festlichen wie mit vielen Menschen gefüllten Gottesdienst in der Hauptkirche St. Petri feiern könnten, das wäre wunderbar.

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